Auszug aus dem III. Band der Reichenauer Chronik von Wilhelm Preißler.
Im Jahre 1834 hatte Reichenau 2.424 Einwohner, und diese Zahl sank, trotz des reichen Kindersegens in jener Zeit, in den folgenden Jahrzehnten durch die durch ungünstige Ernten hervorgerufenen Krankheiten, wie Hungertyphus und andere, noch bedeutend herab. Vom Jahre 1845 bis 1855 starben in Reichenau nach den pfarramtlichen Aufzeichnungen 1.576 Personen, zumeist an Hungertyphus und andere Seuchen.
Dazu kam noch, daß ein großer Teil der ärmeren Bevölkerung, in Ermangelung jeglicher Verdienstmöglichkeit und jahrelanger Hungersnot, mit seiner geringen Habe auf einem Handwagen oder im Buckelkorbe, begleitet von der großen Zahl ihrer Kinder, nach Polen oder aufs Land in die Duxer und Brüxer Gegend auswanderten, um dort in Kohlenschächten oder auf Meierhöfen Erwerb und Brot zu suchen.
In den Jahren 1875 und 1876 setzte eine neue Auswanderungsepidemie ein. Es war diesmal das gelobte Land Brasilien, welches eine gewaltige Anziehungskraft auf die Reichenauer Auswanderer ausübte. Viele machten dort auch tatsächlich ihr Glück. Bessergestellte Leute konnten zu der Überfahrt die Dampfschiffe benützen, während die armere Klasse sich mit Segelschiffen begnügen mußte, welche für die Reise eine Überfahrtdauer von 12 bis 15 Wochen benötigten. Die Beköstigung während dieser Fahrt bestand meist aus gesäuertem Kohl und Rüben.
Aus der Reihe der glücklichen Auswanderer sei nur einer herausgegriffen, es war dies der Schmied Kwitschall Nr.264, welcher seine Schmiede um 800 Gulden verkaufte und auf Grund seiner höheren Bildung in Brasilien eine Schule errichtete, welcher sein Sohn als Lehrer vorstand und die nach einem Jahre über 100 Schüler, zumeist Kolonistenkinder, besuchten. Ferner erbaute Kwitschall eine Brauerei mit Gasthaus und Kaufmannsgeschäft, wodurch er in wenigen Jahren ein reicher Mann wurde.
Daß Kwitschall seine Heimat über seinem Glücke nicht vergaß, beweist der Umstand, daß er einen regen Briefwechsel mit seinen einstigen Freunden unterhielt, denen er auch Ansichten von seinen Besitzungen zuschickte. Durch viele Jahre erhielten seine armen Verwandten zu Weihnachten stets ansehnliche Geldgeschenke. Leider ist sein Todestag in Reichenau nicht bekanntgeworden.
Doch nun wieder zu unseren Bevölkerungszahlen:
Zu Berücksichtigen ist noch, daß bis nach der Mitte des vorigen Jahrhunderts in den Stuben der ärmeren Leute keine Holzdielen vorhanden waren, sondern nur Estrichboden, das ist mit Haferspreu gemischter Lehmbelag, welcher als Fußboden festgestampft wurde, und auf welchem die kleineren Kinder über den ganzen Tag sitzen mußten und sich auf dem feuchtkalten Fußboden bereits im zartesten Kindesalter allerlei Krankheiten, wie Lungentuberkulose, englische Krankheit zuzogen, denen sie bereits in den Jugendjahren erlagen. Eine Besserung der Wohnungs– und Lebensverhältnisse trat erst nach dem Preußenkriege in den Jahren 1866 und 1867 ein.
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