Die Erzeugung von Dosen und anderen lackierten Waren in Reichenau ist charakteristisch für die Nutzung von billigen, ländlichen Arbeitskräften, für eine Erzeugungsweise mit einem großen Anteil an Heimarbeit und spezieller Fertigungsvorgänge, für die außerordentliche Vielfalt der Erzeugnisse und ihre preisliche Erschwinglichkeit.
Das Grundmaterial war eine spezielle Pappe, Papiermaché, die mit Leinöl durchtränkt und mit Lack gehärtet wurde; nach dem Trocknen bearbeitete man sie durch Drechseln, Schleifen und Polieren. Die fertige Form wurde mit einigen Schichten Lack überzogen, geschliffen und poliert.
Das typischste Erzeugnis aus Reichenau war eine schwarze, runde Lackdose, verziert mit Miniaturmalerei, Einlegearbeiten oder anderen Techniken. Auch andere Formen von Dosen wurden erzeugt, in roter, brauner, weißer, aber auch in orange, grüner oder blauer Farbe.
Aber nicht nur Dosen entstanden hier, sondern auch verschiedene Etuis oder Deckel für Gebetbücher, Schmuckkästchen, Schächtelchen, Tabletts, Teller, Untersetzer unter Gläser, sowie Tassen und Untertassen und viele andere Waren.
Zum Unterschied von anderen Orten mit ähnlicher Erzeugung war in Reichenau eine große Anzahl Arbeiter beschäftigt, in den erfolgreichsten Zeiten mehr als 200. Auch die Produktion war beachtenswert – 700 bis 800 Dutzend Erzeugnisse wöchentlich.
Die Hauptproduzenten waren die Firmen des Schwiegersohns der Fa. Schöffel, Karl Hofrichter, sein jüngerer Bruder Ignaz und dessen Söhne. Sie nahmen mit Erfolg an Industrieausstellungen teil. Wichtige Absatzgebiete in der Monarchie waren Wien, Tirol und die Steiermark, der Export ging nach Italien, Spanien und in die Schweiz, nach Rußland, in die USA und in weitere Länder.
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde die Nachfrage nach Dosen und anderen Lackerzeugnissen geringer und die Erzeugung ging zurück. Sie wurde aber in Reichenau übergangslos von der sich schnell entwickelnden Ölmalerei ersetzt.